Programm

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,


wir begrüßen Sie herzlich bei der Preisverleihung des Kompositionswettbewerb JüMiD – Aktuelle jüdische Musik in Deutschland und wünschen Ihnen ein freudiges und inspirierendes Konzerterlebnis!

Mit freundlichen Grüßen,
Anke Biedenkapp | Vorsitzende des Global Partnership Hannover e.V.

PROGRAMM

Do, 5. Mai 2022 | 19:00 Uhr, Villa Seligmann Hannover

Musikalische Einleitung 
Jean Goldenbaum und Elena Ilinskaya

Grußwort 
Eliah Sakakushev-von Bismarck, Direktor der Villa Seligmann

Moderation
Laura Berman, Intendantin der Staatsoper Hannover
Anke Biedenkapp über die Entstehungsgeschichte des JüMiD

Musikalischer Festakt

Sieger in der Kategorie Klassik:
A_pesar“ Camilo Bornstein
Laudatio: Julia Spinola, Musikkritikerin

Siegerin in der Kategorie Synagogalmusik:
„Kel malej Rachamim“Ekaterina Margolin
Laudatio: Yoed Sorek, Kantor der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover 

Sieger in der Kategorie Jazz:
„Wer hinterlässt, was er liebt“ – Ira Shiran
Laudatio: Arne Pünter, Musiker und Geschäftsführer der JMI Hannover, Gründer der Rampe

Siegerin in der Kategorie Pop:
„Let it go“ – Maria Raykhman
Laudatio: Noam Bar, Musikerin 

Ausklang

Get together (mit Fingerfood)

preisträger*innen

Camilo Bornstein

Kategorie Klassik
A_PESAR“ – CAMILO BORNSTEIN

Über die Komposition

Das Stück A_pesar ist im Rahmen des Konzertes „Erinnern in Musik – Zwei Generationen begegnen sich im Philanthropin“ anlässlich der sich zum 83. Mal jährenden Pogromnacht im Jahr 2021 entstanden. Der Abend wurde von der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main mit mir als künstlerischem Leiter organisiert. Die persönlichen Erinnerungen von Werner Kahn, meinem Großonkel, an die Pogromnacht 1938 in Frankfurt bildeten durch die Einspielung von Interviews mit ihm den dramaturgischen Bogen der Veranstaltung. A_pesar ist mein erster Versuch, seitdem ich aus Brasilien nach Deutschland gezogen bin, mich mit dem Teil meiner familiären Geschichte auseinanderzusetzen, der unmittelbar mit der Schoah verknüpft ist.

Die Komposition A_pesar steht für ein musikalisches Treffen zweier Jungen, die im gleichen Alter an derselben Schule bzw. im gleichen Gebäude, aber um 83 Jahre versetzt, lernten bzw. lernen: das Philanthropin in Frankfurt am Main. Das Stück ist für Violine und Trompete geschrieben, die Instrumente, die von den beiden Jungen gespielt wurden: Violine spielte Werner Kahn, geboren 1925 und wohnend seit 1939 in Brasilien, und Trompete spielt Yuval, geboren 2010, den ich als meinen Schüler durch meine Tätigkeit als Grundschullehrer kennenlernte. Die Instrumente arbeiten vorwiegend miteinander in einem ergänzenden Gespräch, wie eine imaginäre Begegnung der beiden. Die zwei Zeiten, 1938 und 2021, finden ihre Entsprechung in den abwechselnden Momenten, wo mal geräuschartige und mal stimmhafte Klänge ertönen. Die ersten deuten auf die immer fernere jedoch starkbleibende Erinnerung von Werner Kahn an die Pogromnacht hin und die zweiten stehen für die optimistische und aufgeschlossene Lebenseinstellung von Yuval, als junger jüdischer Deutscher. 

Das Philanthropin, heute I. E. Lichtigfeld-Schule, ist nicht nur Teil der Erinnerungen meiner Familie, sondern auch mein Arbeitsort, an dem ich seit 2019 unterrichte. Das Bauen einer Brücke zwischen Werners Schulzeit in den 30er-Jahren und der Gegenwart fügt sich in den fortwährenden Prozess meiner Auseinandersetzung mit meiner jüdischen Herkunft ein. Dazu gehört u.a. die Frage, ob nach Deutschland zu kommen für mich ein Hingehen oder ein Zurückkommen ist. Das Bewusstwerden der Kontinuität von damals und heute, was eher für ein Zurückkommen spricht, treibt meine Tätigkeit als Lehrer voran und verbindet damit im Rahmen dieses Stücks die künstlerische, die pädagogische und die persönliche Ebene: Es fördert meine Motivation als Lehrer eine neue jüdische Generation zu inspirieren und wirkt sich auf mein Zugehörigkeitsgefühl zum Jüdischsein aus, indem ich mich zunehmend nicht nur als brasilianisch und jüdisch sondern auch als deutsch-jüdisch identifiziere.

Der Titel des Stückes hat außer den innermusikalischen Entsprechungen auch direkten Bezug zu meinem Lebensgefühl in Deutschland. Obwohl gleich in der Aussprache, haben das Wort „apesar“ und die Wendung „a pesar“ im Portugiesischen, meiner Muttersprache, unterschiedliche Bedeutungen. Während das erste mit „trotz“ übersetzt werden kann, drückt das zweite aus, dass etwas große Mühe bereitet. In diesem Spannungsverhältnis lebe ich seit 2016 in diesem Land: Trotz der Zäsur in meiner eigenen Familiengeschichte in Deutschland, und obwohl es mir nicht immer leichtfällt, habe ich hier ein Zuhause gefunden.

Über den Komponisten

Geboren 1989 in Nicaragua wuchs Camilio Bornstein in Rio de Janeiro auf. Dort schloss er einen Bachelor in Biologie und anschließend in Komposition ab. Zwischen 2017 und 2020 absolvierte er das Masterstudium in Komposition an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main, wo er seitdem wohnt. Seine Haupttätigkeiten umfassen Konzertmusik, Bühnenmusik und Pädagogik. Seine Stücke wurden schon in verschiedenen Städten Brasiliens, Deutschlands und Dänemark aufgeführt. Camilo Bornstein komponierte und arbeitete für das Schauspiel Frankfurt, studio NAXOS und für die Landungsbrücken Frankfurt. Sowohl in der Musik als auch im Theater beschäftigt sich er intensiv mit der Aufarbeitung und Erinnerung der Schoah. Dieses Jahr wurde er für das Kompostionsstipendiat der Mozart-Stiftung ausgewählt


Kategorie Synagogale Musik
„Kel malej Rachamim“ – Ekaterina (Katja) Margolin

Über die komposition

(„El malej Rachamim“ singt man nur beim Gebet, weil man Gottes Namen im Alltag nicht aussprechen darf)
„Gott voller Erbarmen“, sind die Anfangsworte eines jüdischen Gebetes, das während Bestattungen, am Todestag eines Verstorbenen, beim Besuch der Gräber von Angehörigen, sowie am Jom haScho’a zum Gedenken an die Opfer des Holocaust und zum Gedenken an im Krieg gefallene israelische Soldaten vorgetragen wird. 
Die Komposition verlässt den Rahmen der klassischen synagogalen Musik im traditionellen liturgischen Rahmen. Sie lehnt sich diesem jedoch an durch einen mehrstimmigen gemischten Chor mit Klavierbegleitung in der Gestaltung des 19. Jahrhunderts in den Synagogen Deutschlands und Mitteleuropas. 
Die Komposition symbolisiert den gemeinsamen Leidensruf an Gott und unterstreicht dabei das Emotionale und persönlich Bewegende.

Über die KomponisTIN

Ekaterina (Katja) Margolin wurde 1973 in Moskau, geboren. Dort studierte sie Dirigieren, Gesang und Klavier an der Musikakademie „Gnessiny“ und arbeitete als Chorleiterin sowie Musiklehrerin mit Kindern und Erwachsenen. Seit 1997 wohnt sie in Köln, wo sie ihre pädagogische und künstlerische Tätigkeit fortsetzt. Im Jahr 2000 gründete sie in der Synagogengemeinde Köln den Erwachsenenchor „Schalom“; später auch Kinder- und Jugendchöre. Sie ist in Köln und Umgebung als Chorleiterin, Gesangs- und Klavierlehrerin beschäftigt und leitet zahlreiche Musik- und Chorprojekte. Bedingt durch die Corona-Maßnahmen hat sie zuletzt reichlich Erfahrung mit der Durchführung von online Projekten gesammelt.


Kategorie Jazz
„Wer hinterlässt, was er liebt“ Ira shiran

Über die Komposition

Als jemand, der aus politischen (aber auch persönlichen) Gründen ein geliebtes Land hinter sich gelassen hat, treibt mich die Herausforderung an, meine israelisch-jüdische Kultur in Deutschland weiter zu pflegen und zu fördern, aber auch etwas davon abzulegen obsolete Aspekte und voneinander zu unterscheiden. Ich glaube, dass Deutschland heute ein sicheres Land für Juden und Minderheiten im Allgemeinen ist – ich fühle mich sicher und andere Israelis und Juden, mit denen ich regelmäßig in Kontakt komme, auch. Dies ermöglicht und erfordert, dass das Judentum in Deutschland sich an der Anstrengung beteiligt, warnt und an der Spitze steht, sich gegen jede Form von Gewalt zu erheben. Wie wir heutzutage leider sehen, gibt es immer noch Menschen, die wegen Unterschieden in der ethnischen Zugehörigkeit, dem Glauben, der Rasse oder der Nationalität in Gefahr gebracht werden. Diese Menschen sind gezwungen, das zurückzulassen, was sie lieben.

Über den Komponisten

Aufgewachsen in Hatzeva, einem winzigen Dorf im Süden Israels, spielte Ira Shiran seit seinem achten Lebensjahr Akkordeon. Mit sechzehn Jahren zog er nach Jerusalem, um die israelische Kunst- und Wissenschaftsakademie zu besuchen – und schließlich sein Musikstudium 2002 mit Auszeichnung zu beenden. Ab 2008 folgte ein Studium an der Rubin Academy for Dance and Music in Jerusalem und ein Exzellenzstipendium. Shirans Akkordeonspiel konzentriert sich auf Balkanmusik und die Musik der Sinti und Roma. Um diesen anspruchsvollen Stil angemessen Rechnung zu tragen, nahm er in den Balkanländer Unterricht und besuchte Workshops, die von Meistern ihres Fachs geleitet wurden. Darüber hinaus trat er sowohl solistisch als auch als Orchestermitglied mit mehreren israelischen Sinfonieorchestern auf. Außerdem war er an Produktionen des National Theatre of Israel und des Israeli National Yiddish Theatre beteiligt („HaBima“ und „Yiddishpiel“ ). Shiran hat Stücke für Akkordeon, Lieder und Theatermusik komponiert sowie Orchesterarrangements verfasst. Zur Erweiterung seines musikalischen Horizonts zog er nach 2016 nach Berlin. Dort gründete er die Balkan- Musikgruppe „Ajvar“. Er spielt auch Klezmer und jüdische Musik mit Yoed Sorek, Sasha Lurje und der Klezmer-Gruppe „Halva“. Mit ihnen hat er das von Kritier*innen begeistert aufgenommene Album „Dinner in Sofia“ produziert.


Kategorie Pop
„Let It Go“ – Maria Raykhman

Über die komposition
Let It Go“ – Übersetzung ins Deutsche

Lalalalala

Einmal wurde mir gesagt, ich solle jedem Tag eine Chance geben Es könnte der beste sein, der beste, den ich je haben werde

Dennoch ließ ich sie einfach verfliegen Wartete auf etwas Größeres Habe gar nicht bemerkt:
Es ist bereits alles da

Lalalalala

Lass los, lass los
Tschüss Allzeittief
Bin unten am Boden
Aber hab mich noch nie höher/erheiterter gefühlt

Du kannst bleiben, du kannst bleiben Millionen Meilen weg von hier
Bin unten am Boden
Aber hab mich noch nie höher/erheiterter gefühlt

Lalalalala

Oh, du kannst nicht verlieren Wenn du deine Seele baumeln lässt Sie wurde zu lang hingehalten Die Explosion naht

Achtsam und sanft Irgendwo, wo sie wachsen kann Beginnen wir unsere Reise Ins Ungewisse

Lalalalala

Lass los, lass los Tschüss Allzeittief
Bin unten am Boden
Aber hab mich noch nie höher/erheiterter gefühlt

Du kannst bleiben, du kannst bleiben Millionen Meilen weg von hier
Bin unten am Boden
Aber hab mich noch nie höher/erheiterter gefühlt

Lalalalalala….

Über die KomponisTIN

In Kiew geboren, kam Mascha mit vier Jahren als jüdischer Kontingentflüchtling nach München und wurde auf Russisch und Deutsch erzogen. So entwickelte sich schnell eine ausgeprägte Faszination für Sprache und Musik und sie fing an, durch eigene Lieder auszudrücken, was sie mit keiner ihrer Sprachen in Worte fassen konnte. In ihrer Jugend nahm sie an verschiedenen Musical-Produktionen sowie der TV Sendung „Dein Song“ auf Kika teil. Später studierte sie an der renommierten Popakademie in Mannheim Musik und ist seitdem als Sängerin, Songwriterin und Synchronsprecherin vielseitig aktiv. 2017 gewann sie den „German Songwriting Award“ in der Kategorie „Pop“. Mit ihrem Electro-Swing Duo Masha Ray spielte sie zahlreiche Auftritte wie z.B. bei Shalom Aleikum, ein Event des deutschen Zentralrats der Juden, Female Leadership Summit, La Nuit Bohème, Electro Swing Revolution, Cross Club Prag, eine Mini-Tour in Italien (über das Auswärtige Amt), für diverse jüdische Museen und Festtage und veröffentlichte 2019 mit Universal Production Music ein Album, welches bislang über 2000 Sync Platzierungen verbuchen konnte. Geprägt durch musikalische Einflüsse von First Aid Kit, Lana Del Rey, Marina & The Diamonds und Regina Spektor schlummerte in ihr schon lange die Idee ihres neuen cinematischen Folklore-Pop Projekts Masha The Rich Man. Mit traditionellen Einflüssen und poppigen Soundelementen schafft sie darin eine zeitlose Parallelwelt. In ihren Texten setzt sie sich auseinander mit ihrer Vergangenheit, Weltschmerz, unausgesprochenen Träumen, einschneidenden Erinnerungen und lädt mit ihrer samtigen Stimme zum gemeinsamen Einsam Sein ein. 2022 sind ihre ersten Singles geplant, sowie eine Albumveröffentlichung.

Jury

Klassische Musik:
Sarah Nemtsov
Julia Spinola 
Elena Ilinskaya

Populäre Musik:
Noam Bar
Wladimir Kaminer
Ben Salomo

Jazz:
Tayfun Guttstadt 
Daniel Kahn
Arne Pünter

Synagogale Musik:
Tal Koch 
Assaf Levitin 
Yoed Sorek

Mehr zu den Juror*innen >>

Rahmenprogramm

Fr, 6. Mai 2022 | RAMPE
Gerhardtstraße 3, 30167 Hannover

JüMid Doppelkonzert: Jazz & Synagogalmusik
Maria Raykhman & Band
Ekaterina Margolin & „V.I.P Voices In Peace“
Einlass 20 Uhr / Beginn 21 Uhr

ab 23 Uhr Shtetl-Disko mit Yuriy Gurzhy

Sa, 7. Mai 2022 | Feinkost Lampe
Eleonorenstraße 18, 30449 Hannover

JüMid Doppelkonzert: Pop & Klassik
Michael Schalamov (Klavier) & Elena Ilinskaya (Geige)
Ira Shiran (Klavier und Akkoredeon) & Pietro Fornara (Gitarre)
Einlass 20 Uhr / Beginn 21 Uhr

ab 23 Uhr Shtetl-Disko mit Nikolay Karabinovych

Tickets: 15,-€ / erm. 8,- €
Shtetl-Disko: 5 €
Reservierungen unter: 
info@globalpartnership.de – Stichwort: „JüMiD-Konzert & Datum“

Mo, 9. Mai 2022 | Neues Rathaus Hannover
Trammpl. 2, 30159 Hannover

JüMiD in der Erinnerungskultur
U.a. mit Yuriy Gurzhy, Jean Goldenbaum, Noam Bar
Einlass 18:30 / Beginn 19 Uhr

Förderer

Die Finanzierung des Wettbewerbs erfolgt ausschließlich aus öffentlichen Mitteln und Zuwendungen sowie durch Sponsor*innen

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